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Erinnerungsorte in Taiwan

An die Verfolgungen während der Kuomintang-Diktatur erinnern in Taiwan zahlreiche Gedenkorte – wie dieses ehemalige Militärgefängnis in Taipei. Nicht nur Denkmäler wurden vielerorts errichtet. Auch Haftanstalten, Lager und historisch bedeutsame Gebäude wurden zu Museen umfunktioniert. Das Nationale Menschenrechtsmuseum hat eine Datenbank mit 41 „Stätten der Ungerechtigkeit" online gestellt. Der Inselstaat macht damit der Volksrepublik China vor, wie auch diese ihre blutige Vergangenheit aufarbeiten könnte.

Credit: Hubertus Knabe

228-Gedenkstätte Taipei

Die Zahlen 228 stehen in Taiwan für den 28. Februar 1947. An diesem Tag versammelten sich Hunderte Inselbewohner vor dem Regierungssitz in Taipei, um gegen das kolonialherrenhafte Gebaren der chinesischen Zentralregierung zu protestieren. In Taiwans Erinnerungskultur spielt das Datum eine Schlüsselrolle.

Anlass für die spontane Kundgebung war, dass ein Polizist bei einem Handgemenge mit einer Straßenverkäuferin einen Passanten erschossen hatte. Als Sicherheitskräfte das Feuer auf die Demonstranten vor dem Regierungsgebäude eröffneten, drang ein Teil von ihnen in den nahegelegenen Radiosender (Foto) ein und machte die Vorgänge publik. In der Folge kam es auf der ganzen Insel zu wütenden Demonstrationen.

Der chinesische Militärgouverneur ließ die Proteste gewaltsam niederschlagen, wobei zwischen 18 000 und 28 000 Zivilisten ums Leben kamen. Das Massaker war in Taiwan jahrzehntelang ein Tabu. 1995 entschuldigte sich Präsident Lee Teng-hui von der ehemaligen Staatspartei Kuomintang für das Vorgehen der Regierung. Die Verurteilten wurden rehabilitiert und eine Stiftung zahlte über 200 Millionen US-Dollar Entschädigung an mehr als 9000 Betroffene und Angehörige. Im ganzen Land wurden Denkmäler errichtet, die an die Opfer erinnern. Der 28. Februar wurde gesetzlicher Feiertag.

Im ehemaligen Radiogebäude befindet sich seit 1997 eine Gedenkstätte der Stadt Taipei. Die umliegende Grünanlage erhielt den Namen "228 Friedens- und Erinnerungspark". Auch ein Denkmal befindet sich hier. Die nationale Stiftung zur Entschädigung der Opfer betreibt seit 2007 in der taiwanesischen Hauptstadt noch ein weiteres Museum, das an die Ereignisse von 1947 erinnert.

Links

Facebook-Seite der städtischen 228-Gedenkstätte (chinesisch)

Website der nationalen 228-Gedenkstätte (englisch)

 

Nach der Diktatur. Instrumente der Aufarbeitung autoritärer Systeme im internationalen Vergleich

Ein Projekt am Lehrstuhl für Neueste Geschichte der Universität Würzburg

Twitter: @afterdictatorship
Instagram: After the dictatorship

Mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Jing-Mei Gedenkpark für die Opfer des Weißen Terrors

Im Stadtteil Jing-Mei der taiwanesischen Hauptstadt Taipei tagte früher das Militärgericht der Republik China. Bei der Verfolgung von Oppositionellen spielte es in den 1970er und 1980er Jahren eine Schlüsselrolle. Während des Kriegsrechtes wurde insgesamt mehr als 16 000 Personen wegen Aufruhrs oder Spionage der Prozess gemacht. Heute sind der Gerichtsaal und das angeschlossene Gefängnis (Foto) eine Gedenkstätte.

Vor dem Militärgericht fand unter anderem der Prozess wegen des sogenannten Formosa-Vorfalls statt. Bürgerrechtler um die Zeitschrift „Formosa Magazin“ hatten im Dezember 1979 zu einer Kundgebung am Tag der Menschenrechte eingeladen. Als Zivilisten verkleidete Polizisten schlugen dabei gezielt auf die anrückende Militärpolizei ein. Die Regierung nahm dies zum Vorwand, um sämtliche bekannten Oppositionellen zu inhaftieren. Die acht Hauptangeklagten wurden 1980 zu Haftstrafen zwischen zwölf Jahren und lebenslänglich verurteilt.

Als das Kriegsrecht 1987 aufgehoben wurde, kamen die Verurteilten frei. Vier Jahre später wurde das Militärgefängnis geschlossen. Auf Vorschlag von Vizepräsidentin Lu Hsiu-lien Lu, die selber zu den Angeklagten gehört hatte, entstand auf dem Gelände 2007 eine Gedenkstätte. Sie wurde in den letzten Jahren ausgebaut und ist Teil des 2011 gegründeten Nationalen Menschenrechtsmuseum.

Besucher können den Gerichtssaal und das Gefängnis besichtigen. Beides blieb weitgehend unverändert erhalten. In einem Raum kann man alte Tonbandgeräte des taiwanesischen Staatssicherheitsdienstes sehen. In einem anderen stehen Näpfe mit nachgebildetem Essen auf einem Dutzend Tischen, an denen einst die Gefangenen aßen. Auch eine ehemalige Wäscherei, in der die Gefangenen arbeiten mussten, sowie den früheren Gefängnishof kann man begehen. Das ausgedehnte Gelände, ursprünglich als Militärakademie errichtet, ist heute Gedenkpark für die Opfer des Weißen Terrors.

Gefängnis "Villa Oasis"

Scheinbar endlos reihen sich die grünen Zellentüren in der leer stehenden Haftanstalt auf der einstigen Gefangeneninsel „Green Island“. Von 1972 bis 1987 diente sie dem Ministerium für Nationale Verteidigung von Taiwan als sogenanntes Reform- und Umerziehungsgefängnis. Die Haftanstalt, die den zynischen Namen „Villa Oasis“ trug, gehört heute zu einem Erinnerungspark.

Nach einer Gefängnisrevolte auf der Hauptinsel Taiwans war der von hohen Mauern und Wachtürmen umgebene Zellenbau errichtet worden. Anschließend wurden politische Häftlinge aus verschiedenen Gefängnissen hierhin gebracht, um sie besser unter Kontrolle zu haben. Neben Kommunisten und angeblichen Spionen befanden sich unter ihnen auch zahlreiche Menschenrechtsaktivisten und Vertreter der taiwanesischen Unabhängigkeitsbewegung.

Der Bau umfasst mehr als 200 Zellen, die auf zwei Etagen in vier sternförmig auseinanderlaufenden Flügeln liegen. Dort, wo die Flügel zusammentreffen, patrouillierten früher die Wachmannschaften, die von hier aus alle Flure beobachten konnten. Selbst auf der Toilette, eine Art kniehoch geflieste Wanne in der Zelle, waren die Häftlinge nicht vor fremden Blicken geschützt. Um ein Gefühl für die räumliche Enge zu vermitteln, wurden in einem Haftraum lebensgroße Fotos von Insassen montiert. Auch die einstige Gummizelle und der Besucherraum können besichtigt werden. Von einer Glasscheibe getrennt, durften die Häftlinge hier nur durch eine Art Telefon mit ihren Angehörigen sprechen.

Das Gefängnis ist fast unverändert erhalten geblieben. Auf dem großen Eingangstor stehen immer noch die Losungen zur Umerziehung der Gefangenen: „Verjüngen wir die Nation durch engagierte Arbeit!“, „Lasst uns die Regierung unterstützen!“, „Lasst uns mit absoluter Aufrichtigkeit zusammenarbeiten!“. Auch auf den vier Gefängnishöfen, wo sich die Häftlinge zweimal am Tag 20 bis 30 Minuten an der frischen Luft bewegen durften, prangen solche Parolen. „Schätze das Gesetz!“, „Sei aufrichtig!“ und „Halte die Gesetze ein!“ steht dort in großen chinesischen Schriftzeichen an den Wänden.

Eine Ahnung von der Brutalität der Kuomintang-Diktatur vermitteln Skizzen von Folterszenen, die in einer kleinen Ausstellung im Eingangsbereich des Gefängnisses zu sehen sind. Die Haftanstalt ist inzwischen Teil eines Erinnerungspark zum Weißen Terror, der 2002 auf der Insel eingerichtet wurde. Zu ihm gehören auch das ehemalige Umerziehungslager „Neues Leben“ sowie ein Denkmal, das die Namen der Opfer auflistet.

Umerziehungslager "Neues Leben"

Dicht gedrängt liegen oder sitzen die Häftlinge in einer Baracke des Umerziehungslagers "Neues Leben“. Durch schwere körperliche Arbeit und geistige Umerziehung sollten sie zu neuen Menschen gemacht werden. Heute ist das Lager ein Museum, in dem sogar die Gefangenen aus Wachs nachgebildet wurden.

Die Gedenkstätte befindet sich auf "Green Island", einer kleinen Insel etwa 30 Kilometer vor der Ostküste Taiwans. Das felsige Eiland mitten im Pazifischen Ozean diente schon den Japanern als Strafkolonie. Die Kuomintang-Regierung  kerkerte hier jahrzehntelang ihre politischen Häftlinge ein.

Das Lager lag in einer durch Felsen abgeschlossenen Bucht, aus der eine Flucht schon aufgrund der natürlichen Gegebenheiten kaum möglich war. Zwischen 1951 und 1965 waren hier Tausende Menschen in Haft. Bis zu 2000 Gefangene, aufgeteilt in 12 Kompanien, mussten in dem Lager Zwangsarbeit leisten. Ein Teil arbeitete als Holzfäller, andere mussten in der Brandung Felsen brechen, um daraus Schweineställe, Getreidelager oder Werkzeugschuppen zu errichten. Wieder andere befassten sich mit dem Anbau von Gemüse oder der Schweinezucht.

Kennzeichnend für die Haftbedingungen war jedoch nicht nur der harte Lageralltag, sondern vor allem die systematische politische Indoktrination. Auf den Berghängen prangten in riesigen Lettern Worte wie „Anstand“, „Gerechtigkeit“, „Rechtschaffenheit“ und „Ehre“. Während des regelmäßigen „Unterrichts“, den die Häftlinge absolvieren mussten, wurden sie – wie heute noch in China üblich – einer regelrechten Gehirnwäsche unterzogen. Verweigerte sich ein Gefangener der Umerziehung, kam er auf eine andere Insel oder wurde, wie 14 Häftlinge im Jahr 1953, hingerichtet.

Von den ursprünglichen Gebäuden ist außer einem verwitterten Wachturm, einem alten Häftlingsbau und den Resten der Gefängnisküche nicht viel übriggeblieben. Das Eingangstor, durch das die Gefangenen das Lager betraten, wurde nachträglich wieder aufgebaut, ebenso die Unterkünfte und das Ausgangstor, aus dem sie am Ende geläutert entlassen wurden.

In den rekonstruierten Baracken erzählt heute eine aufwändig gemachte Ausstellung die Geschichte des Lagers. In Dioramen und lebensgroßen Nachbauten ist zu sehen, wie die Häftlinge die Felsen brachen, in Zweierreihen marschierten oder auf kleinen Holzbänken die Umerziehung über sich ergehen lassen mussten. Eine Baracke mit zweistöckigen Pritschen wurde sogar komplett nachgebaut – inklusive Gefangener.

 

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