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Dokumente zu Taiwan

Zwei Besucherinnen studieren Dokumente im ehemaligen Gefängnis „Villa Oasis“. Doch viele Unterlagen über die Verfolgungen in Taiwan sind bis heute nicht zugänglich. Erst 2001 wurde das Nationalarchiv gegründet, über 100 Kilometer Unterlagen warten noch auf ihre Überstellung. Lange weigerten sich die Behörden, als geheim deklarierte Papiere abzugeben. Bei personenbezogenen Unterlagen benötigten Historiker zudem das Einverständnis der Opfer. Doch im Dezember 2017 trat ein Aufarbeitungsgesetz in Kraft, das diesen Zustand ändern soll.

Credit: Hubertus Knabe

Das taiwanesische Aufarbeitungsgesetz

In dichter Folge stehen die Namen zahlreicher politisch Verfolgter an den Wänden dieses Gedenkortes auf der ehemaligen Gefangeneninsel Green Island. Doch erst in jüngster Zeit hat sich Taiwan der Aufarbeitung ihres Schicksales entschlossener zugewandt. Ein neues "Gesetz zur Förderung der Übergangsjustiz" führte zur Einrichtung einer Kommission, die für eine umfassende Offenlegung der Vergangenheit sorgen soll.

Das Gesetz trat im Dezember 2017 in Kraft und hat die Möglichkeiten der Aufarbeitung deutlich verbessert. Ein neunköpfiger Ausschuss soll sich um die Öffnung der Archive und um die Sicherung der Orte kümmern, an denen Menschen verfolgt wurden. Weitere Aufgaben sind die Rehabilitierung von zu Unrecht Verurteilten, die Erforschung der historischen Geschehnisse und die Förderung der sozialen Aussöhnung. Der Ausschuss ist auch für das Auffinden und die Rückgabe des unrechtmäßig erworbenen Parteivermögen der Kuomintang zuständig - was in Taiwan für heftige Diskussionen sorgte. Auf erheblichen Widerstand stößt zudem die im Gesetz vorgesehene Beseitigung von Denkmälern aus der Zeit des Kriegsrechtes, die sich bis heute in zahlreichen Ortschaften, Schulen, Universitäten und anderen Institutionen finden.

Um dem Willen des Gesetzgebers Nachdruck zu verleihen, sieht das Gesetz empfindliche Strafen für diejenigen vor, die seine Umsetzung behindern. Institutionen, die sich weigern, ihre Archivalien herauszugeben, drohen Geldstrafen von umgerechnet bis zu 166 000 US-Dollar. Wer Unterlagen verheimlicht oder zerstört, kann sogar mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden.

Bis 2019 wurden nach Prüfung durch die Kommission 5.837 Personen, die wegen politischer Delikte verurteilt worden waren, rehabilitiert. Im selben Jahr beschloss das Parlament auch die Aufhebung der Geheimhaltung bei allen Regierungsdokumenten zur politischen Verfolgung. In der Folge veröffentlichte die Kommission mehrere Berichte, die die Beteiligung der Geheimpolizei an Vorgängen wie dem Formosa-Vorfall belegten. Im Februar 2020 stellte die Kommission eine Datenbank online mit Dokumenten zu 3195 Militärgerichtsverfahren während des Kriegsrechts.

Kurz nach ihrer Gründung im Jahr 2018 wurde die Kommission von einem Skandal erschüttert, weil ihr Vizepräsident für Wahlkampfzwecke Recherchen zu einem führenden Kuomintang-Politiker veranlasst hatte. Nach Bekanntwerden des Vorgangs musste er zurücktreten.

Zum Wortlaut des Gesetzes zur Förderung der Aufarbeitung geht es hier (englisch).

Links

Website der Kommission zur Förderung der Aufarbeitung (chinesisch)

Website des taiwanesischen Nationalarchivs (englisch)

Frühere Website des taiwanesischen Nationalarchivs (englisch)

 

Nach der Diktatur. Instrumente der Aufarbeitung autoritärer Systeme im internationalen Vergleich

Ein Projekt am Lehrstuhl für Neueste Geschichte der Universität Würzburg

Twitter: @afterdictatorship
Instagram: After the dictatorship

Mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

 

Anspruch auf Entschädigung

Am 28. Februar 1947 stürmte eine wütende Menge das Büro des staatlichen Tabakmonopols in Taipei. Dessen Mitarbeiter hatten zuvor bei einer Straßenhändlerin geschmuggelte Zigaretten konfisziert. Als sie protestierte, schlugen sie sie mit einem Gewehrkolben und schossen auf die umstehenden Menschen. Der Vorfall löste einen Aufstand gegen die Kuomintang-Verwaltung aus, der blutig niedergeschlagen wurden. 

Fast ein halbes Jahrhundert später verabschiedete das taiwanesische Parlament ein Entschädigungsgesetz. Opfer des sogenannten 228-Zwischenfalls und deren Angehörige haben danach Anspruch auf bis zu 200 000 Dollar Wiedergutmachung. Kaum ein anderes Land zahlt den Opfern staatlicher Verfolgung ähnlich hohe Kompensationen.

Das Gesetz trat am 7. April 1995 in Kraft. Bis 2006 wurden 2264 Entschädigungsfälle anerkannt, davon 680 Todesfälle. Insgesamt erhielten 9420 Personen eine Entschädigung in Höhe von umgerechnet etwa 240 Millionen US-Dollar. Bis 2019 kamen noch rund 50 weitere Fälle hinzu. Die für die Verteilung zuständige Stiftung erhielt zudem den Auftrag, die Ereignisse zu erforschen und an sie zu erinnern. Seit 2007 betreibt sie in Taipei eine nationale Gedenkstätte.

1998 trat ein weiteres Entschädigungsgesetz in Kraft, das politisch Verfolgten erstmals auch für spätere Perioden der Militärherrschaft einen Anspruch auf Entschädigung zusichert. Er beläuft sich auf umgerechnet bis zu 20 000 US-Dollar pro Person. Bei Verstorbenen können die Angehörigen sogar bis zu 67 000 US-Dollar erhalten. Für die Prüfung und Auszahlung ist ebenfalls eine Stiftung zuständig.

Im Jahr 2000 wurde schließlich noch das Gesetz über die Wiedergutmachung von Verletzungen individueller Rechte in der Zeit des Kriegsrechts verabschiedet. Es sorgt dafür, dass die Aberkennung von Berufsabschlüssen und Rentenansprüchen politisch Verfolgter aufgehoben wird.

Den Wortlaut des 228-Entschädigungsgesetzes finden Sie hier, den Wortlaut des Entschädigungsgesetzes für unrechtmäßige Prozesse während des Kriegsrechts hier. Das Gesetz über die Wiedergutmachung von Schäden individueller Rechte ist hier zugänglich (alle englisch).

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