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Erinnerungsorte in Peru

Der "Ort der Erinnerung" in Lima: Auf großen Tafeln erklärt das Museum die blutigen Auseinandersetzungen zwischen Militärs und kommunistischer Guerrilla. Die Aufarbeitung der Gewalttaten, unter denen vor allem die indigene Landbevölkerung zu leiden hatte, ist bis heute ein konfliktbeladenes Thema.

Credit: Adrián Portugal / CC BY-SA 4.0

Lugar de la Memoria

„Lugar de la Memoria“ (Ort der Erinnerung) steht in großen Lettern am Eingang des Betongebäudes, das sich an der Steilküste der peruanischen Hauptstadt Lima erhebt. Darunter, deutlich kleiner, folgen die Worte „Toleranz“ und „soziale Inklusion“ Ziele, denen sich das 2015 eröffnete Museum ebenfalls verschrieben hat. Die Kontroversen um das Haus und seine Konzeption spiegeln auch die politischen Konflikte beim Umgang mit den bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen im Peru der 1990-er Jahre.

„Yuyanapaq“ (auf Quechua: "Wider das Vergessen") – so lautete der Titel einer Fotoausstellung, die die peruanische Wahrheitskommission 2003 in Lima organisierte. Sie zeigte über 200 erschütternde Bilder aus verschiedenen Archiven über den bewaffneten Konflikt zwischen Guerilla und Militärs. Als die deutsche Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul die Ausstellung 2008 besichtigte, zeigte sie sich so davon beeindruckt, dass sie Peru eine Spende von zwei Millionen Euro anbot, um einen dauerhaften Ort dafür zu schaffen.

Die peruanische Regierung zögerte jedoch, das Geschenk anzunehmen. Die Gewalt der 1990er Jahre war ein heikles Thema, denn auch das Militär war maßgeblich daran beteiligt. Erst 2009 sagte sie zu und setzte eine Kommission ein, die ein Konzept für das geplante Museum erarbeiten sollte. Den Vorsitz übernahm der peruanische Schriftsteller Mario Vargas Llosa, der kurz darauf mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde. Die Gemeinde Miraflores stellte ein Grundstück an der Steilküste Limas zur Verfügung.

Konzept, Name und Leitung der geplanten Gedenkstätte änderten sich in der Folgezeit mehrfach. Erst wurde der Begriff „Museum“ verworfen und durch „Ort der Erinnerung“ ersetzt. Bald wurde daraus „Ort der Erinnerung, Toleranz und sozialen Inklusion“. Auch von der Fotoausstellung war keine Rede mehr. Mindestens ebenso häufig wechselten der Vorsitz der Kommission und die Projektleitung. Probleme bereitete auch die Realisierung des architektonischen Entwurfs, der 2010 bei einem Wettbewerb zum Gewinner erklärt worden war.

Nach zahlreichen Diskussionen und Veranstaltungen wurde schließlich das Konzept für die Dauerausstellung fertiggestellt. Ende 2015 weihte Präsident Ollanta Humala Tasso das Museum ein. Es untersteht dem peruanischen Kulturministerium. Im Unterschied zu vielen anderen Gedenkstätten vertritt es eine multiperspektivische Sicht auf die Geschichte. In seiner Selbstdarstellung heißt es, der Erinnerungsort fördere „ein kritisches und objektives Urteil über gewalttätige Diskurse, die die Integrität der Person verletzen. Zu diesem Zweck begrüßt er die Vielfalt der Stimmen und Gesichter, die im Zeitraum 1980-2000 Gewalt erlebt haben, und sucht die Koexistenz zwischen den verschiedenen Erinnerungen zum gegenseitigen Lernen.“

Die aufwändig gestaltete Dauerausstellung widmet sich im ersten Teil den Gewalterfahrungen in Peru und ihren Auswirkungen auf die Menschen. Im zweiten Teil geht es darum, wie diese Gewalt überwunden wurde, wobei sowohl der Widerstand der Zivilgesellschaft als auch die Maßnahmen des Staates dargestellt werden. In diesem Teil wird auch darüber reflektiert, was erforderlich ist, um einer Wiederholung ähnlicher Taten vorzubeugen. Am Ende kommt der Besucher in eine Art Gedenkraum, in dem die Namen der Opfer an die Wand projiziert werden.

Die Ausstellung ist auf Spanisch, doch es gibt Audioguides auf Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch und Quechua. Im Internet wird ein virtueller Rundgang angeboten mit Zugang zu allen Video-Zeugnissen, Texten und Bildern. Die Fotoausstellung „Yuyanapaq“ ist noch bis 2026 im Nationalmuseum in Lima zu sehen.

Links

Website des Museums Lugar de la Memoria (spanisch)

Virtueller Rundgang durch das Museum Lugar de la Memoria (spanisch)

Der Anthropologe Joseph P. Feldman über die Konflikte bei der Schaffung des Museums Lugar de la Memoria (englisch) 

 

Nach der Diktatur. Instrumente der Aufarbeitung autoritärer Systeme im internationalen Vergleich

Ein Projekt am Lehrstuhl für Neueste Geschichte der Universität Würzburg

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Mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Das weinende Auge

32.000 Namen erhielt die Bildhauerin Lika Mutal von der Wahrheitskommission, als sie ein Denkmal für die Opfer der langjährigen Gewalt in Peru schaffen wollte. Sie beschriftete damit Steine und verlegte sie in elf konzentrischen Kreisen. In der Mitte platzierte sie einen schwarzen Felsen, aus dem kontinuierlich Wasser sprudelt. Ursprünglich sollte ihr Werk mit dem Titel „Das weinende Auge“ Teil eines größeren Erinnerungshains im Limaer Bezirk Jesús María werden. Doch dieser kam nie zustande. Durch politisch motivierte Anschläge wurde das 2005 eingeweihte Denkmal mehrfach erheblich beschädigt.

In ihrem Abschlussbericht empfahl die peruanische Wahrheitskommission 2003 unter anderem, Denkmäler für die zahlreichen Opfer der politischen Gewalt zu schaffen. Im Park Campo de Marte in Lima sollte deshalb ein Erinnerungshain „Alameda de La Memoria“ entstehen. Von dem Vorhaben wurde jedoch nur das etwa 400 Quadratmeter große Denkmal realisiert. Das Werk der aus den Niederlanden stammenden Künstlerin wurde dabei ausschließlich durch Spenden finanziert. 2022 erklärte es das peruanische Kulturministerium zum Kulturerbe der Nation.

2006 kam es zu heftigen Debatten, als bekannt wurde, dass das Denkmal auch die Namen von 41 Kämpfern der Terrororganisation „Leuchtender Pfad“ enthielt. Anlass war ein Urteil des Interamerikanischen Menschengerichtshofes, der die Ermordung der Guerilleros nach einem Gefängnisaufstand für unrechtmäßig erklärt und die peruanische Regierung zu einer Entschädigung verpflichtet hatte. Da sich die Namen der Ermordeten auch auf den Listen der Wahrheitskommission befunden hatten, waren sie Teil des Denkmals geworden was bis dahin jedoch unbemerkt geblieben war.

2007 wurde das Denkmal schwer beschädigt. Als Reaktion auf die Auslieferung des geflüchteten Präsidenten Alberto Fujimori an Peru erschien eine Menschengruppe mit vorgehaltener Waffe und legte dem Wachmann der Erinnerungsstätte Handschellen an. Anschließend wurden diverse Steine entfernt und der schwarze Felsen mit Farbe übergossen. Wenige Tage später betraten zwei Kongressabgeordnete mit etwa 500 Anhängern das Gelände und entfernten aus Protest weitere Steine. 2009 wurde der schwarze Stein aus der Verankerung gerissen, nachdem sich Fujimori vor Gericht gegen den Vorwurf, für zwei Massaker verantwortlich zu sein, verteidigt hatte. Bis 2018 kam es noch mehrfach zu ähnlichen Schändungen.

Erinnerungsmuseum Ayacucho

Keine andere peruanische Stadt hat so unter dem Guerillakrieg gelitten wie Ayacucho. Die ehemalige Kolonialstadt am Osthang der Anden war Entstehungsort und Hochburg der Organisation „Leuchtender Pfad“. Von hier aus wollte diese nach dem Vorbild Mao Tse-Tungs die Revolution ins Land tragen. Ihr Anführer Abimael Guzmán war zuvor Professor für Philosophie an der örtlichen Universität gewesen. In Ayacucho eröffnete die Nationale Vereinigung der Angehörigen von Entführten, Inhaftierten und Verschwundenen Perus (ANFASEP) 2006 ein privates Museum.

Die meisten Einheimischen nennen Ayacucho immer noch Huamanga - wie die in 2761 Meter Höhe gelegene Stadt ursprünglich hieß. Erst 1825 erhielt sie zu Ehren des Sieges über die Spanier im Unabhängigkeitskrieg ihren heutigen Namen. Die Stadt ist eine Hochburg des Katholizismus und besitzt seit über 300 Jahren eine eigene Universität. Hier hatte der Anführer des „Leuchtenden Pfades“, der sich selbst „Präsident Gonzalo“ nannte, studiert und gelehrt.

Die Organisation war eine maoistische Abspaltung der peruanischen Kommunistischen Partei (PCP). Ihr Name ging auf einen Satz des Parteigründers José Carlos Mariátegui zurück, der einmal erklärt hatte, der Marxismus-Leninismus sei „der leuchtende Weg der Zukunft“. Wie in China wollte Guzmán die Bauern in Peru zum Aufstand bewegen. Während die Gruppe anfangs vor allem an den Universitäten Anhänger besaß, ging sie 1980 zum bewaffneten Kampf über. Sie verübte zahlreiche Anschläge und kontrollierte bald riesige ländliche Gebiete im Zentrum und Süden Perus. Sie griff dabei nicht nur Soldaten und Polizisten an, sondern auch unbeteiligte Zivilisten. Verschleppungen und Tötungen beging aber auch das zu ihrer Bekämpfung eingesetzte Militär. 40 Prozent aller damals in Peru Ermordeten stammten aus der Region Ayacucho.

Das kleine Museum erinnert an diese Zeit in drei Räumen. Im Mittelpunkt steht dabei der Kampf der Organisation ANFASEP, die Mütter und Frauen von Verschwundenen 1983 gegründet hatten. Bei Kasernen, staatlichen Instanzen und auf geheimen Friedhöfen suchten sie nach ihren Angehörigen, die zumeist von den Streitkräften verschleppt worden waren. Als Papst Johannes Paul II. 1985 Ayacucho besuchte, versuchten die Frauen vergeblich, ihn bei seiner Ankunft am Flughafen mit einem Holzkreuz zu empfangen. Es trug die Aufschrift: "No matar" (Nicht töten). Um das Kreuz und ein ebenfalls mitgeführtes Transparent dauerhaft zu erhalten, wurde später die Idee geboren, ein Museum einzurichten – das erste seiner Art in Peru.

Das Museum entstand 2006 vor allem mit finanzieller Hilfe aus Deutschland. Im ersten Raum wird die Geschichte von ANFASEP mit Hilfe von Zeitungsausschnitten, Fotos und Kleidungsstücken der Verschwundenen erzählt. Im zweiten Raum befinden sich ein nachgebauter Folterraum und ein exhumiertes Grab mit menschlichen Knochen. Im dritten Raum sind Fotos der Mitglieder von ANFASEP zu sehen. Zu dem Museum gehört auch ein kleiner Laden, in dem Kunsthandwerksprodukte der Frauen verkauft werden.

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