Die Reste des ehemaligen Arbeitslagers von Spaç sind noch gut erhalten. Doch die Bemühungen früherer Häftlinge, es zu einer Gedenkstätte zu machen, blieben erfolglos. Von den über 80 Lagern und Gefängnissen des albanischen Gulags dient heute nur eins der Erinnerung an die kommunistische Diktatur.
Credit: Hubertus Knabe
Von außen könnte man es für eine bürgerliche Villa halten. In Wirklichkeit verbarg sich hinter den roten Ziegelmauern dieses Gebäudes die Überwachungszentrale der albanischen Geheimpolizei. Jahrzehntelang kontrollierte die Sigurimi von hier aus die Telefonanschlüsse von Diplomaten, Politikern und Prominenten. Inzwischen ist das Haus in der Innenstadt von Tirana ein Museum. Kuratiert wurde es von einem Politikersohn und Schriftsteller, der in Albanien acht Jahre lang unschuldig im Gefängnis saß.
Ursprünglich wurde das villenartige Gebäude 1931 als Geburtsklinik gebaut, die erste private in Albanien. Nach der Machtübernahme der Kommunisten zog 1944 deren Geheimpolizei hier ein – und blieb bis 1991. Da sich im Nachbarhaus die Telefonzentrale von Tirana befand, war es einfach, von hier aus deren Kabel anzuzapfen und Telefongespräche mitzuhören. In dem zweistöckigen Haus befanden sich aber noch weitere technische Einheiten der Sigurimi, darunter ein Fotolabor, in dem Überwachungsfotos entwickelt wurden.
Nach dem Ende der kommunistischen Diktatur stand das Gebäude lange Zeit leer. Da es zunehmend von Efeu überrankt wurde, hieß es im Volksmund “Das Haus mit Blättern”. Während rundherum mehrstöckige Neubauten entstanden, wurde das historisch und architektonisch wertvolle Gebäude unter Denkmalschutz gestellt. Ministerpräsident Edi Rama beauftragte schließlich seine Kulturministerin, ein Museum daraus zu machen. 2017 wurde es eröffnet und drei Jahre später mit dem Museumspreis des Europarates ausgezeichnet.
Das Konzept des Museums stammt von Baschkim Shehu. Der Sohn des langjährigen kommunistischen Ministerpräsidenten Mehmet Shehu wurde nach dem Tod seines Vaters verhaftet. Dieser war als Innenminister bis 1954 selber Chef der Sigurimi gewesen und hatte zahlreiche Hinrichtungen befohlen. 1981 wurde er in seinem Schlafzimmer mit einer Schusswunde am Kopf tot aufgefunden, offiziell handelte es sich um Selbstmord. Doch Hoxha stellte ihn anschließend als jugoslawischen, US-amerikanischen und sowjetischen Spion hin. Seine Witwe und zwei seiner Söhne wurden verhaftet. Während erstere im Gefängnis starb, beging einer der Söhne Selbstmord. Der andere – der spätere Kurator des Museums – kam in das Arbeitslager Spaç und wurde erst 1989 entlassen. Die Vorgänge sind Thema des Romans „Der Nachfolger“ von Ismail Kadaré.
Das Museum widmet sich sowohl der Geschichte des Gebäudes als auch den Methoden der Sigurimi. Anders als vergleichbare Einrichtungen in anderen Ländern folgt es eher einem künstlerisch-assoziativen als einem wissenschaftlich-dokumentarischen Ansatz. So wurden das Treppenhaus und dessen Fenster mit stilisierten Blättern bedruckt. In einem der Räume wurde eine Überwachungskamera installiert, deren Bilder in einem anderen Raum betrachtet werden können. Im Garten stehen überdimensionierte Trichter, die symbolisieren sollen, wie von diesem Ort aus die Stadt Tirana abgehört wurde (siehe Foto). Vergleichsweise wenige der insgesamt 31 Räume wurde im Ursprungszustand belassen.
Website des Museums Haus der Blätter (englisch)
Kurzvideo über das Museum Haus der Blätter (englisch)
Der Europarat zur Auszeichnung des Museums Haus der Blätter (englisch)
Nach der Diktatur. Instrumente der Aufarbeitung autoritärer Systeme im internationalen Vergleich
Ein Projekt am Lehrstuhl für Neueste Geschichte der Universität Würzburg
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Mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Viel zu schön leuchten die renovierten Zellentüren im „Ort des Zeugnisses und der Erinnerung“ – wie sich die Gedenkstätte in Shkodër im Nordwesten Albaniens nennt. Sie befindet sich in einem ehemaligen Untersuchungsgefängnis des albanischen Innenministeriums. Mehr als vier Jahrzehnte wurden hier politische Gefangene inhaftiert und gefoltert. Sie ist der einzige Erinnerungsort für die Opfer des kommunistischen Regimes in Albanien.
Das im 19. Jahrhundert als Privathaus errichtete Gebäude wurde lange Zeit als Waisenhaus und Krankenhaus genutzt. Seit 1930 diente es dem Franziskanerorden als Vorbereitungskolleg für angehende Priester. 1946 beschlagnahmte die kommunistische Regierung das Haus und richtete darin das regionale Hauptquartier des Innenministeriums ein. Aus den Mönchszellen wurden Untersuchungszellen, die bis 1992 in Betrieb waren.
Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges war Shkodër das Zentrum des albanischen Katholizismus. Es war Erzbistum und Bischofssitz mit mehreren katholischen Schulen und Ordensniederlassungen. Die Verfolgungen des kommunistischen Regimes richteten sich deshalb besonders gegen katholische Würdenträger. Allein 61 Geistliche wurden in Shkodër hingerichtet, viele weitere oft jahrzehntelang inhaftiert. Polizei und Sigurimi beschlagnahmten 26 bis dahin von Gläubigen genutzte Gebäude, die Kathedrale wurde zur Sporthalle umfunktioniert. Nach mehr als zwanzigjährigem Religionsverbot fand im November 1990 auf dem alten katholischen Friedhof erstmals wieder ein öffentlicher Gottesdienst statt.
In der Eingangshalle des 2014 eröffneten Museums wird diese besondere Verfolgungsgeschichte geschildert. Neben einer Übersichtskarte mit allen Gefängnissen der Stadt werden auch einige Objekte aus dem Gefängnis sowie Manuskripte und Briefe von Gefangenen und ihren Familien gezeigt. Darüber hinaus sind verschiedene amtliche Dokumente zu sehen. Eine Art Tunnel aus roten Bögen führt in den früheren Haftbereich mit den 23 Zellen, die für den Einfall von Tageslicht nur eine kleine Öffnung besaßen. Auch den Innenhof des ehemaligen Gefängnisses kann man besichtigen. Das Museum erhält nur wenige Fördermittel von der lokalen Regierung.