111 Kilometer Akten hat der DDR-Staatssicherheitsdienst hinterlassen. Sie lagern heute im Stasi-Unterlagen-Archiv (Foto). Auch aus der Zeit des Nationalsozialismus sind zahlreiche Unterlagen überliefert, die vor allem im Bundesarchiv liegen. Darüber hinaus werden viele Dokumente dezentral verwahrt - in Archiven der Bundesländer und Städte, aber auch von Gedenkstätten, Unternehmen und Vereinen. Für die Aufarbeitung der Vergangenheit haben diese Quellen einen unschätzbaren Wert.
Credit: Hubertus Knabe
Wenig einladend wirkt der klotzige Bau des Bundesarchivs in Koblenz. Doch für Historiker ist das Archiv eine Goldgrube. Seine knapp 900 Mitarbeiter verwalten über 400 Kilometer Akten, 13 Millionen Bilder und 155.000 Filme. Die Recherchen darin sind in der Regel kostenlos. Den Schlüssel für die quellengestützte Aufarbeitung der Vergangenheit bildet ein spezielles Archivgesetz.
Seit mehr als 100 Jahren hat Deutschland ein zentrales Staatsarchiv. Hier liegen die Unterlagen des Deutschen Bundes, des Deutschen Reichs, der DDR und der Bundesrepublik. Auch die Bestände der NSDAP und der DDR-Parteien gehören dazu. Den Zugang regelt das Bundesarchivgesetz von 1988. Das Gesetz schreibt vor, dass öffentliche Stellen des Zentralstaates nicht mehr benötigte Unterlagen dem Bundesarchiv anbieten müssen - spätestens 30 Jahre nach ihrer Entstehung. Das Archiv entscheidet dann darüber, ob sie historisch wertvoll sind und dauerhaft aufbewahrt werden.
Die Schutzfrist für die Nutzung der Dokumente beträgt normalerweise 30 Jahre seit der Entstehung. Sind natürliche Personen betroffen, endet sie frühestens zehn Jahre nach deren Tod oder 100 Jahre nach ihrer Geburt. Allerdings können diese Schutzfristen im Einzelfall auch reduziert werden. Außerdem wurde die 30-jährige Sperrfrist nach der deutschen Wiedervereinigung für Unterlagen aus der DDR aufgehoben, um die Aufarbeitung der SED-Diktatur zu erleichtern. Mit den Archivalien im Bundesarchiv sind in den letzten Jahrzehnten Tausende Fachbücher, Aufsätze und Filme über das nationalsozialistische und das kommunistische Regime entstanden.
Die Bestände weisen allerdings erhebliche Lücken auf. So hat etwa die nationalsozialistische Gestapo einen Großteil ihrer Akten selbst vernichtet. Der umfangreichste Aktenfundus, der erhalten blieb, stammt aus der Staatspolizeileitstelle Düsseldorf und wird im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen verwahrt. Viele Unterlagen wurden auch durch Kriegshandlungen im Zweiten Weltkrieg zerstört. Große Bestände wurden zudem von den Siegermächten beschlagnahmt und nur teilweise zurückgegeben. Im Rahmen eines Gemeinschaftsprojektes wurde ein Teil der in Russland lagernden Akten inzwischen online zugänglich gemacht. Lückenhaft ist auch das Parteiarchiv der SED. Als es Ende 1992 ins Bundesarchiv kam, waren unter anderem die komplette Mitgliederkartei und sämtliche Nomenklaturkaderakten vernichtet.
Zum Bundesarchiv gehört auch das Militärarchiv, das seinen Sitz in Freiburg hat. Die Akten zur Außenpolitik werden hingegen separat im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes verwahrt. Nach der Wiedervereinigung übernahm dieses auch die Unterlagen des DDR-Außenministeriums. Nur ein kleiner Teil der Bestände des Bundesarchivs ist bislang online zugänglich – insgesamt rund 57.000 Akten, darunter die Protokolle des SED-Politbüros. Zwar kann man über das Internet in einem Großteil des Bestandes suchen. Doch zur Akteneinsicht muss man meist in einen der neun Dienstorte fahren, die über ganz Deutschland verstreut sind. Für Kritik sorgt auch, dass private Medien hohe Gebühren für die Veröffentlichung von Fotos und Dokumenten zur Aufarbeitung zahlen müssen.
Zum Wortlaut des Bundesarchivgesetzes geht es hier.
Website des Politischen Archivs des Auswärtigen Amts
Website des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen
Überblicksportal zu Archiven in Deutschland
Deutsche Dokumente in russischen Archiven
Website des Archivportals Europa
Nach der Diktatur. Instrumente der Aufarbeitung autoritärer Systeme im internationalen Vergleich
Ein Projekt am Lehrstuhl für Neueste Geschichte der Universität Würzburg
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Instagram: After the dictatorship
Mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Wie ein Nebeneingang wirkt der Zutritt ins Stasi-Unterlagen-Archiv in der früheren Berliner Stasi-Zentrale. Doch dahinter lagern 44 Kilometer einst streng geheimer Akten der DDR-Geheimpolizei. Weitere rund 68 Kilometer befinden sich größtenteils in 13 ehemaligen Bezirkshauptstädten der DDR. Dass so viele Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes überlebt haben, ist ein kleines Wunder.
Wenn es nach Stasi-Chef Erich Mielke und seinem Nachfolger Wolfgang Schwanitz gegangen wäre, dann wären im Herbst 1989 die wichtigsten Unterlagen der DDR-Geheimpolizei vernichtet worden. Doch couragierte DDR-Bürger verschafften sich ab dem 4. Dezember 1989 nach und nach Einlass in die Stasi-Dienststellen. Gemeinsam mit Staatsanwälten und Polizisten versiegelten sie dort die Archivräume – und stoppten damit die großflächige Aktenvernichtung. Rund 16.000 Säcke mit zerrissenen Papieren zeugen noch heute von der Zerstörungswut der Stasi-Verantwortlichen.
Mit einem Hungerstreik erreichten Bürgerrechtler im September 1990, dass die Hinterlassenschaften der Stasi nicht ins Bundesarchiv kamen. Statt dessen wurde für sie ein vom Parlament gewählter Bundesbeauftragter zuständig, dem eine Behörde von zeitweise über 3000 Mitarbeitern an die Seite gestellt wurde. Nach langen Debatten trat 1992 das Stasi-Unterlagen-Gesetz in Kraft, das den Umgang mit den sensiblen Unterlagen aus rund 40 Jahren Überwachung regelte.
Das Gesetz legte fest, dass alle Stasi-Unterlagen in die Obhut des Beauftragten gehören. Frei vagabundieren Akten wie in anderen ehemals kommunistischen Ländern sollte es nicht geben. Zugang wurde nur für genau definierte Zwecke gewährt. Für Ermittlungen im Zusammenhang mit dem SED-Regime erhielten die Staatsanwaltschaften die Möglichkeit der Akteneinsicht. Auch die Opfer erhielten das Recht, die über sie geführten Akten einzusehen. Darüber hinaus erlaubte das Gesetz Überprüfungen auf eine Stasi-Tätigkeit, vor allem für Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes. Schließlich erhielten Historiker, Journalisten und andere Interessierte Einblick in die Akten, wenn sie sie zum Zweck der Aufarbeitung nutzen wollten. Ungewöhnlich war, dass Unterlagen über Opfer der Stasi nur mit deren Zustimmung herausgegeben werden durften, während sie bei Mitarbeitern und Informanten der Stasi nicht erforderlich war. In anderen Ländern ist es häufig umgekehrt, so dass die Verantwortlichkeiten für Verfolgungsmaßnahmen oft im Dunkeln bleiben.
Kritik löste vor allem aus, dass in der Stasi-Unterlagen-Behörde lange Zeit mehr als 70 ehemalige Stasi-Mitarbeiter beschäftigt wurden. Der größte Teil von ihnen war 1990 ins DDR-Innenministerium gewechselt und nach der Wiedervereinigung an den Bundesbeauftragten abgetreten worden. Ein weiteres Ärgernis bildeten die zum Teil mehr als zweijährigen Wartezeiten, wenn Betroffene die über sie geführten Unterlagen einsehen wollten. Ein erhebliches Hindernis für Historiker und Journalisten stellt die mit dem Datenschutz begründete Festlegung dar, die Namen von Unbeteiligten oder Opfern zu schwärzen. Schließlich kam es ab 1999 zu einem mehrjährigen Rechtsstreit, weil sich der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl dagegen wehrte, dass Stasi-Unterlagen über ihn an Historiker herausgegeben werden.
2019 beschloss der Bundestag, das Stasi-Unterlagen-Archiv bis 2021 ins Bundesarchiv zu überführen. Die bisherigen rechtlichen Regelungen sollen weitergelten, die Zahl der Standorte in Ostdeutschland soll auf fünf verringert werden. Neben dem Stasi-Unterlagen-Archiv, dem Bundesarchiv und den ostdeutschen Landesarchiven gibt es noch mehrere andere Archive mit Dokumenten aus der Zeit der DDR.
Zum Stasi-Unterlagen-Gesetz geht es hier.