„RCD Dégage“ - „RCD verschwinde“ steht auf den Zetteln, die Teilnehmer dieser Demonstration am 21. Januar 2011 in Tunis hochhalten. Sie protestieren gegen die Staatspartei von Diktator Ben Ali, die das Land jahrzehntelang beherrschte. Die Bilder der tunesischen Demonstranten gingen damals um die ganze Welt. Doch bis heute gibt es keinen nationalen Gedenkort für die Opfer der brutalen Diktatur in Tunesien.
Geradezu idyllisch wirkt das Gebäude des Innenministeriums an der Avenue Habib Bourguiba in Tunis hinter den Fontanen eines Springbrunnens. Die Erinnerungen vieler Tunesier an den gut gesicherten Bau sind weniger positiv. Denn hier residierte die "Direktion für Staatssicherheit", wie sich die tunesische Geheimpolizei offiziell nannte. Im Erdgeschoss befand sich ein Zuführungsort, in den oberen Etagen fanden Verhöre und Folterungen statt. Für viele Inhaftierte begann hier ihre oft mehrjährige Odyssee durch die Gefängnisse Tunesiens. Im März 2011 verkündete das Innenministerium die Auflösung der Behörde. Im Oktober ließ es die Zellentüren von Kindern mit bunten Bildern bemalen. Doch für ein öffentliches Gedenken ist der Ort nach wie vor nicht zugänglich.
Website des tunesischen Innenministeriums (französisch)
Nach der Diktatur. Instrumente der Aufarbeitung autoritärer Systeme im internationalen Vergleich
Ein Projekt am Lehrstuhl für Neueste Geschichte der Universität Würzburg
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Mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Auf dieser verwilderten Wiese in der Avenue „9 Avril“ in Tunis deutet nichts mehr adarauf hin, dass sich hier jahrzehntelang das größte Gefängnis Tunesiens befand. Errichtet wurde der Zellenbau noch in der Kolonialzeit. Offiziell war er für 1.500 Häftlinge vorgesehen, doch oft waren es weit mehr. Während der Diktatur unter Bourguiba und Ben Ali waren in dem Gebäude Tausende politische Gefangene in Haft. Auch eine Guillotine befand sich hier, die bis Anfang der 1990-er Jahre Verwendung fand.
2004 wurde das Gefängnis geschlossen, drei Jahre später abgerissen. 2012 wurde auf dem Gelände ein Massengrab entdeckt. Der Premierminister der gemäßigt islamistischen Ennahda-Partei, Hamadi Jebali, kündigte damals an, an dieser Stelle eine nationale Gedenkstätte zu errichten. Die Pläne wurden jedoch nie verwirklicht. 2017 erklärte der tunesische Justizminister Ghazi Jeribi, dass statt dessen ein Gerichtsgebäude entstehen solle. Am 26. Juni, dem internationalen Tag zur Unterstützung der Opfer von Folter, ziehen Menschenrechtsorganisationen an diesen Ort, um an die Inhaftierten zu erinnern, die hier gelitten haben.