70 Jahre herrschte in Georgien eine kommunistische Diktatur. Doch der Aufbruch in die Freiheit nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war schwieriger als gedacht. Konflikte mit ethnischen Minderheiten und ein gnadenloser Kampf zwischen Regierung und Opposition belasten die junge Demokratie heute ebenso wie Armut und Korruption.
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Georgien ist ein kleiner Staat östlich vom Schwarzen Meer. 3,7 Millionen Einwohner wohnen hier auf etwa 57.000 Quadratkilometern. Eigentlich ist das Staatsgebiet rund 20 Prozent größer, doch Abchasien und Südossetien haben sich mit russischer Hilfe abgespalten. Das Land ist größtenteils durch die Gebirge des Kaukasus geprägt – und durch den christlich-orthodoxen Glauben, dem sich 84 Prozent der Bevölkerung zugehörig fühlen.
Geht es nach den Georgiern, bildet ihr Land den östlichsten Zipfel Europas – obwohl es geografisch bereits in Vorderasien liegt. Das Gefühl, zu Europa zu gehören, ist weit verbreitet und hat vor allem mit der Geschichte zu tun. Georgien, genauer: das einst im Osten des Landes gelegene Königreich Iberien, machte im Jahr 337 das Christentum zur Staatsreligion – als zweiter Staat der Welt und noch vor dem Römischen Reich.
Die eigenständige Orthodoxe Kirche Georgiens ist bis heute von großer Bedeutung, obwohl jahrhundertelang fremde Mächte über das Gebiet zwischen Großem und Kleinem Kaukasus herrschten. Lediglich vom 11. bis zum 13. Jahrhundert war Georgien ein unabhängiger Staat. Dann eroberten es die Mongolen und später zerfiel es in verschiedene Königreiche und Fürstentümer, die im 19. Jahrhundert unter russische Kontrolle gerieten.
Dass Georgien 1918 wieder ein unabhängiger Staat wurde, hatte es dem Zerfall Russlands nach der Machtergreifung der Bolschewiki zu verdanken. Führende Kraft in der "Demokratischen Republik Georgien" waren die Sozialdemokraten, die in dem ethnisch und sozial fragmentierten Land sozialpolitische Reformen und eine Verfassung nach dem Vorbild der Schweiz durchsetzten. Doch im Februar 1921 besetzte die Rote Armee Georgien und machte es für 70 Jahre zu einem Teil der Sowjetunion. Ein Versuch, die Okkupatoren 1924 durch einen Aufstand zu vertreiben, wurde blutig niedergeschlagen.
Paradoxerweise stand damals mit Josef Stalin ein Georgier an der Spitze der UdSSR. Sein Statthalter in Tiflis wurde der spätere sowjetische Innenminister Lawrenti Beria. Der Leiter der dortigen Geheimpolizei wurde 1931 zum Chef der Kommunistischen Partei Georgiens befördert. Für den Terror in der Sowjetunion, dem Millionen Menschen zum Opfer fielen, gelten Stalin und sein Innenminister als Hauptverantwortliche. Nichtsdestotrotz sind viele Georgier stolz auf Stalin, in seiner Geburtsstadt Gori wird er sogar mit einem eigenen Museum geehrt.
Nach Stalins Tod endete der Terror, doch die sozialistische Diktatur blieb. Ein anti-sowjetischer Aufstand, der sich an der damaligen Politik der Entstalinisierung entzündete, wurde 1956 mit Waffengewalt niedergeworfen. Zwar galt Georgien in der Sowjetunion als eine Art sozialistisches Italien, in dem Wein und Zitrusfrüchte wuchsen, Badeorte und Ferienheime lockten und die private Landwirtschaft eine zentrale Rolle spielte. Doch politisch blieb das Land gleichgeschaltet. Berüchtigt war es vor allem für seine Korruption. 1972 wurde deshalb sogar der georgische Parteichef angeklagt und durch den späteren sowjetischen Außenminister Eduard Schewardnadse ersetzt wurde.
Eine georgische Nationalbewegung konnte sich erst im Zuge der Liberalisierung unter Michail Gorbatschow formieren. 1991 setzte diese den Austritt des Landes aus der Sowjetunion durch. Innere und äußere Konflikte überschatteten aber auch die Zeit nach der Erlangung der Unabhängigkeit. Landesteile mit starken ethnischen Minderheiten spalteten sich ab. Georgisches Militär putschte 1992 gegen den gewählten Präsidenten und setzte Schewardnadse als Staatschef ein. Die „Rosenrevolution“ brachte dann Micheil Saakaschwili an die Macht, der nicht nur gegen die Korruption, sondern auch gegen politische Gegner brutal vorging. 2008 kam es schließlich zu einem Krieg mit Russland um das abgespaltene Südossetien.
Geblieben ist die Sehnsucht nach Europa. 2014 schloss Georgien ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union ab. Im März 2022 stellte es – vergeblich – ein Beitrittsgesuch. Auch in die NATO möchte Georgien aufgenommen werden, was 2008 vor allem Deutschland verhinderte. Vom Ausgang des russischen Krieges gegen die Ukraine dürfte es abhängen, ob Georgien eines Tages vielleicht wirklich ein Teil Europas wird (Stand: Februar 2023).
Fläche: | 69.700 km² |
Einwohner: | ca. 3,7 Millionen (2022) |
Bevölkerungswachstum: | - 0,2 % pro Jahr |
Bevölkerungsdichte: | 65 Einwohner pro km² |
Regierungssitz: | Tiflis |
Amtssprache: | Georgisch |
Politisches System: | Semipräsidentielle Republik |
Staatsoberhaupt: | Präsident Salome Surabischwili |
Regierungschef: | Premierminister Irakli Garibaschwili |
Freiheitsstatus: | 58/100 |
BIP pro Kopf: | 5.014 USD (kaufkraftbereinigt, 2021) |