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Erinnerungsorte in Chile

Der unterirdische Eingang in das Menschenrechtsmuseum von Santiago de Chile wirkt wie eine Allegorie auf das moderne Chile: Die heutige Demokratie ist aus den Untiefen einer Diktatur hervorgegangen. An die Opfer der Militärdiktatur wird nicht nur in dem Museum erinnert. Auch geheime Folterzentren wie Londres 38 oder Casa de José Domingo Cañas sind inzwischen Gedenkstätten. Das Stadion im Westen der Hauptstadt trägt jetzt den Namen des einst darin inhaftierten Sängers Victor Jara.

Credit: Carlos Figueroa Rojas / CC BY-SA

Museum der Erinnerung und Menschenrechte

Ein Apparat zur Verabreichung von  Stromstößen steht neben einem Eisenbett. So erinnert das Museum der Erinnerung und Menschenrechte in Santiago de Chile an die Folterung Oppositioneller während der Pinochet-Diktatur. Das 2010 eröffnete Museum behandelt die Menschenrechtsverletzungen in Chile, die unter dem Militärregime zwischen 1973 und 1989 begangen wurden. Mit seiner modernen Ausstellung und Architektur gehört es zu den führenden Gedenkmuseen der Welt.

Über 20 Jahre hat es gedauert, bis der chilenische Staat einen zentralen Erinnerungsort für die Opfer der Militärdiktatur geschaffen hat. Solange der Diktator Augusto Pinochet noch lebte, war daran kaum zu denken. Doch nach seinem Tod im Dezember 2006 kündigte die sozialistische Präsidentin Michelle Bachelet an, ein Museum bauen zu lassen. Eine Regierungskommission erarbeitete ein Konzept, für das Gebäude wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben. Im Januar 2010 eröffnete Bachelet in der chilenischen Hauptstadt den avantgardistischen Bau, den ein brasilianisches Architekturbüro entworfen hatte.

Der Eingang ins Museum befindet sich im untersten Teil des Gebäudes. An der Stirnwand einer über drei Etagen reichenden Ausstellungshalle hängen Tausende Fotos von Opfern des Pinochet-Regimes. Auf einer Weltkarte sind die Wahrheitskommissionen anderer Länder und Bilder weiterer chilenischer Gedenkstätten zu sehen. Von hier aus gelangt man in elf themenbezogene Ausstellungsräume, die den Militärputsch am 11. September 1973, die Repressalien der Junta, den chilenischen Widerstand oder die internationale Solidaritätsbewegung behandeln. Die gesamte Ausstellungsfläche beträgt 5.000 Quadratmeter. Darüber hinaus verfügt das Museum über eine Bibliothek, ein Dokumentationszentrum, einen Gedenkraum und Seminarräume.

Das staatlich finanzierte Museum ist mehr als eine historische Erinnerungsstätte. Schon im Namen vertritt es einen  politischen Anspruch, der auch in die Gegenwart reicht. Den Weg zum Museumseingang flankiert die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Auch die Veranstaltungen und Sonderausstellungen reichen thematisch über die chilenische Militärdiktatur hinaus.

Das Museum musste bereits kurz nach seiner Eröffnung wieder geschlossen werden, da die Ausstellung durch ein Erdbeben schwer beschädigt worden war. Aber auch danach sah es sich Angriffen unterschiedlicher Seiten ausgesetzt. Konservative Kreise warfen dem Museum vor, die Ursachen für den Militärputsch auszublenden. Einige monierten, es verschweige die Militanz der Linken, die das massive Vorgehen der Militärs erst ausgelöst habe. Opferverbände wiederum kritisierten, dass auch an Angehörige der Sicherheitskräfte erinnert werde, die während der Kämpfe ums Leben kamen. Angehörige der Mapuche – ein indigenes Volk, das sich der spanischen Kolonisation erbittert widersetzt hatte – protestierten schließlich, weil die Verletzung ihrer Menschenrechte in dem Museum keine Rolle spielten. Dem Erfolg des Museums, das jährlich von mehr als einer halben Million Menschen besucht wird, tat das allerdings keinen Abbruch.

Links

Website des Museums der Erinnerung und Menschenrechte (englisch)

Website des Museums der Erinnerung und Menschenrechte (spanisch)

 

Nach der Diktatur. Instrumente der Aufarbeitung autoritärer Systeme im internationalen Vergleich

Ein Projekt am Lehrstuhl für Neueste Geschichte der Universität Würzburg

Twitter: @afterdictatorship
Instagram: After the dictatorship

Mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Friedenspark Villa Grimaldi

Wie ein Fremdkörper erscheint die freie Fläche zwischen den Einfamilienhäusern am Stadtrand von Santiago de Chile. Hier, abgeschirmt durch eine Mauer, befand sich seit 1974 das Folterzentrum der chilenischen Geheimpolizei: die ehemalige Villa Grimaldi. Das Anwesen hatte sie einer reichen chilenischen Familie gewaltsam abgepresst. Als sich das Ende der Militärdiktatur abzeichnete, ließ der Staatsicherheitsdienst sämtliche Gebäude abreißen.

Die Hauptstadtabteilung der Geheimpolizei „Dirección de Inteligencia Nacional“ (DINA) hatte das Anwesen kurz nach dem Militärputsch überfallen. Eine Tochter der Familie wurde festgenommen. Für deren Freilassung verlangte die Geheimpolizei die Übereignung der Villa. Unter der Bezeichnung „Cuartel Terranova“ (Kaserne Neufundland) diente sie ab 1974 als Kommandozentrale und geheimes Verhörzentrum.

Mindestens 4500 Menschen waren hier inhaftiert, unter ihnen auch die spätere chilenische Präsidentin Michelle Bachelet und deren Mutter. Ihr Vater, ein Allende-treuer General, war von den Militärs verhaftet worden und an den Folgen der Folter gestorben. Auch in der Villa Grimaldi waren viele Häftlinge schweren Folterungen ausgesetzt. 18 von ihnen wurden hingerichtet, 211 werden vermisst. Zu den Gefangenen zählten vor allem Kämpfer der Bewegung der Revolutionären Linken (MIR), der Sozialistischen Partei Chiles (PS) und der Kommunistischen Partei (PCCh).

Nach Auflösung der DINA 1977 wurde das Anwesen der Nachfolgeeinrichtung „Central Nacional de Informaciones“ (CNI) übergeben, die es weiterhin als Verhörzentrum nutzte. 1988 überschrieb der Geheimdienst die Liegenschaft deren Direktor. Es war das Jahr, als die Chilenen in einer Volksabstimmung entschieden, dass bei der nächsten Präsidentenwahl außer Pinochet auch andere Kandidaten antreten dürften. Auf dem Gelände wurden alle Gebäude abgerissen und die Spuren der früheren Nutzung beseitigt.

Eine lokale Bürgerinitiative setzte sich für den Erhalt des Ortes ein. 1994 wurde die Eigentumsübertragung rückgängig gemacht und der chilenische Staat übernahm das Gelände. Die einstige Folterstätte der Militärs wurde zu einem Gedenkort erklärt - damals ein Novum in Südamerika.

1997 wurde auf dem Grundstück der Friedenspark Villa Grimaldi eröffnet und nach und nach ausgebaut. Mit symbolischen Elementen - eine Quelle, wo sich die Wege kreuzen, und eine flammenförmige Skulptur vor dem Zugangstor - wurde das Grundstück neu gestaltet. Das Tor und ein Teil der Ummauerung wurden rekonstruiert. Anhand von Zeitzeugenberichten wurde auch eine Zelle nachgebaut und mit Zeichnungen eines Gefangenen ausgestaltet. Auf zwei großen Wänden stehen die Namen der Getöteten. Der wiederhergestellte Rosengarten der Villa würdigt die verfolgten Frauen. Auch ein Modell des Haftortes und eine kleiner Ausstellungsraum gehören zur Anlage. Im Jahr 2000 wurde der ehemalige Wasserturm wiederaufgebaut, der als Einzelzelle diente. 2007 kam ein würfelförmiges Denkmal hinzu, in dem Stücke von Eisenbahnschienen zu sehen sind. Sie wurden in einer Bucht geborgen und dienten einst als Ballast, mit dem die Leichen getöteter Häftlinge ins Meer geworfen wurden.

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